Der Steinkauz - ein Kobold im Obstgarten
Eine laue Frühjahrsnacht, eine Obstwiese am Dorfrand: Schatten huschen
umher, seltsame Stimmen sind zu hören. Bellende, kläffende Rufe,
ein lautes kwiu oder ein wiederholtes kuwit. Die älteren Dorfbewohner
flüstern: Das ist der Totenvogel! Er ruft komm mit und will uns zum
Friedhof locken. Doch was sich dort in der Dämmerung tummelt, hat nichts
mit dem Tod zu tun, im Gegenteil, es ist ein quicklebendiger kleiner Kobold:
der Steinkauz, unsere kleinste heimische Eule.
Wenn sich abends die Dunkelheit über die Landschaft senkt, erwacht
er erst richtig zum Leben. Dann macht er sich auf die Suche nach Käfern,
Mäusen und anderen Kleintieren. Den großen gelben Augen entgeht
auch im Dämmerlicht keine Bewegung, der rundliche Kopf kann nach beiden
Seiten um 180 Grad gedreht werden. Zwischendurch wird immer wieder mit Rufen
das Revier markiert, Eindringlinge werden lautstark vertrieben.
Gegen Ende des Winters versucht er, mit seinem Balzlied, einem leisen, weichen
guhk, eine Steinkauzdame anzulocken und zu betören. Die Paarung ist
von einem erregten kekekek begleitet. Dann suchen sich die beiden eine Höhlung
in einem Baum oder einem Gebäude und erbrüten dort ihre vier bis
sechs rundlichen weißen Eier, die wie Tischtennisbälle aussehen.
Die Jungen verlassen nach einigen Wochen das Nest und klettern im Brutbaum
umher. Sie werden jedoch weiter gefüttert, bis sie vollständig
flügge sind. Erst im Herbst werden sie von den Eltern vertrieben und
suchen sich in der weiteren Umgebung ein eigenes Revier.
Der Steinkauz siedelt gern in der Nähe des Menschen. Früher war
er überall in den Streuobstwiesen, den Bongerten, rund um die Dörfer
zu finden. Auch Niederungen mit Kopfweiden, Parks und Friedhöfe bieten
ihm geeigneten Lebensraum. Doch diese Bereiche fallen immer mehr den ausufernden
Neubaugebieten zum Opfer. Streuobstwiesen werden durch Intensivplantagen
ersetzt. Das alles ist nicht zum Vorteil unseres kleinen Freundes. Selbst
in der Roten Liste der bedrohten Vogelarten ist er schon aufgeführt,
und zwar in der Kategorie 3 - gefährdet. Deshalb sollten wir alles
tun, um ihm und damit auch vielen anderen Tieren wieder ein Leben in unserer
Nähe zu ermöglichen.
Rolf Spitzkowsky und Peter Kolshorn
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